Stadtgespräch. Mehr als eine Million Flüchtlinge, Migranten und andere Schutzsuchende sind in den Jahren 2015/2016 nach Deutschland gekommen. Damals entstand das Wort „Flüchtlingskrise“, die ihren Höhepunkt im Herbst 2015 erlebte. Nun, nach bereits eineinhalb Jahren Ukraine-Krieg und dem Hamas-Überfall auf Israel zeichnet sich eine weitere Flüchtlingswelle ab.
Aktuell gibt es im Stadtgebiet eine Gesamtkapazität von 1.349 Plätzen, von denen 1.184 belegt sind. Rechnerisch sind demnach 165 freie Plätze vorhanden“, so Ragnar Migenda. Der Beigeordnete für Stadtentwicklung und Klimaschutz, der auch einen Operativen Stab (OpS) im Rahmen des Stabs für außergewöhnliche Ereignisse leitet, ist zuständig. Dieser OpS wurde in diesem Jahr im Hinblick auf den Zuzug der Menschen aus der Ukraine gegründet und tagt regelmäßig zur Problematik der gestiegenen Zuweisungen.
Händeringend sucht die Stadt neue Standorte zur Unterbringung von Personen. Zwar gibt es Hallen, die zur Nutzung für eine übergangsweise Unterbringung von Flüchtlingen geeignet sind. Doch möchte die Stadt beispielsweise die Hermann-Löns-Halle als mögliche Reservefläche beibehalten, „um eine Versorgung mit Unterkünften über den Winter gewährleisten zu können“, beschreibt Sabine Hellwig, zuständige Leiterin des Fachbereichs 5 – Soziales, die aktuelle Situation. Flächen auf dem Carpark-Gelände, in der Märchensiedlung, in Heidkamp, zukünftig auch wieder in Schildgen sind für Flüchtlingsunterkünfte eingeplant.
Seit März 2023 wurden der Stadt Bergisch Gladbach 162 Personen zugewiesen. Unabhängig von diesen Zuweisungen sind seit März mehr als 115 Kriegsvertriebene aus der Ukraine aufgenommen worden. Während Mitte September die Quote bei 95,95 Prozent lag und somit eine Aufnahmeverpflichtung von 65 Personen bestand, lag die Quote noch im März dieses Jahres bei 109, 16 Prozent. Das bedeutete, dass 139 Personen über dem Soll aufgenommen waren.
Auch die Anfang November auf den Weg gebrachten Beschlüsse zur Finanzierung der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten hilft der Stadt nicht wirklich weiter. Die verabredete Höhe der Personenpauschalen von 7.500 Euro reiche nicht für die Integrationsleitung aus, die seitens der Stadt gestemmt werde. „Wir wissen noch nicht, wann die Gelder beim Land ankommen und wieviel davon an die Kreise und Kommunen weitergereicht wird“, so Stadtkämmerer Thore Eggert. Er teilt aber die Einschätzung von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, dass für Unterbringung und Integration weit mehr Geld nötig sein werde.
Trotzdem ist die Lage in Bergisch Gladbach entspannter als noch in den Jahren der ersten Flüchtlingskrise. „Eine Vergleichbarkeit sehe ich nicht“, so sagt auch Reinhold Feistl, Kreisgeschäftsführer des DRK-Kreisverbands Rheinisch-Bergischer Kreis. Und liefert den Grund sofort: „2015: Das war Überforderung und Freude zugleich, Unwägbarkeiten haben Provisorien entstehen lassen. Im Mai hatten wir einen Plan, wie wir mit einem Bus Ankömmlinge verfahren wollten. Essen, Untersuchungen, Schlafplätze in der Turnhalle. Dann kamen die Massen, wir haben unseren Plan als Grundlage genommen, sind von Tag zu Tag an der Aufgabe gewachsen. Damals musste immer alles schnell gehen, wir haben in drei Monaten 185 Mitarbeitende eingestellt, waren Tag und Nacht wach. Heute tun wir uns dagegen leichter. Die Zuweisungen erfolgen nicht mehr busweise. Zumeist sind es Einzel- oder Familienzuweisungen. Damit ist keiner überfordert. Heute hat man Zeit und kann besser planen. Und: wenn heute die Alarmglocken läuten, wissen wir, was zu tun ist. Das ist der Unterschied.“ Der DRK-Geschäftsführer ist heute noch begeistert von der damaligen Stimmung und dem gemeinsamen Willen, die Aufgaben zu schaffen. „Bergisch Gladbach wäre eigentlich ein Vorzeigeort für Geflüchtetenarbeit, wir haben den sozialen Frieden gesichert“.