Folgen Sie uns

RECHTSTIPP

Zwischen Opferschutz und Willkürlichkeitsgrenze

AA+W - stock.adobe.com

RECHTSTIPP. Die Regulierungsvollmacht der eigenen Kraftfahrthaftpflichtversicherung.

Jeder Versicherungsnehmer einer Kraftfahrthaftpflichtversicherung hat mit dieser eine sogenannte Regulierungsvollmacht vereinbart. Regulierungsvollmacht bedeutet im Wesentlichen, dass die Versicherung im Namen des eigenen Versicherungsnehmers nach eigenem Ermessen die Ansprüche Dritter erfüllen oder diese auch abwehren kann. Die Versicherung ist somit berechtigt, die Ansprüche auch ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers zu befriedigen. Diese Regelung dient vor allem dem Opferschutz. Der jeweilige Versicherungsnehmer soll nicht berechtigt sein, die berechtigten Ansprüche eines Geschädigten durch das Versagen seiner Zustimmung zu vereiteln. Dies führt gelegentlich zu Unmut des Versicherungsnehmers. Es gibt Fälle, bei denen der Versicherungsnehmer davon ausgeht, der Geschädigte wolle sich auf Kosten der Versicherung und auf Kosten des Versicherungsnehmers zu Unrecht bereichern.

Ein Beispiel: Ein Verkehrsteilnehmer wird beschuldigt, sich von einem Unfallort unerlaubt entfernt zu haben. Er bestreitet, dass es überhaupt zu einem Unfall gekommen sei. Der vermeintlich Geschädigte meldet den Schaden bei der Kfz-Versicherung des Verkehrsteilnehmers und fordert Schadensersatz. Die Kfz-Versicherung reguliert den Schaden.

Das Amtsgericht Nürnberg bringt es in den Entscheidungsgründen im Urteil vom 27. April
2022, Az. 35 C 5704/21, auf den Punkt: Der Kfz-Versicherer darf auf Grund der Regulierungsvollmacht die Schadensregulierung nach eigenem Ermessen unabhängig von den Weisungen des Versicherungsnehmers vornehmen. Eine Ermessensüberschreitung liegt erst dann vor, wenn der Kfz-Versicherer eine völlig unsachgemäße Schadenregulierung vornimmt, indem er die vom Unfallgegner geltend gemachten Ansprüche reguliert, obwohl sie nach den gegebenen Beurteilungsgrundlagen eindeutig und leicht nachweisbar unbegründet sind. Wenn der Kfz-Versicherer reguliert, erfolgt meistens eine Höherstufung des Versicherungsnehmers in der Schadenfreiheitsklasse. Möchte sich der Versicherungsnehmer hiergegen wehren, muss also unter anderem geprüft werden, ob die Versicherung das Ermessen richtig ausgeübt hat oder ob es sich um eine willkürliche Entscheidung gehandelt hat.

Für unser Beispiel heißt dies: Hat der Versicherer beispielsweise geprüft, ob Zeugen das Unfallereignis beobachtet haben? Wurde die Ermittlungsakte eingesehen? Gibt es korrespondierende Schäden an den Fahrzeugen? Wurde eine Fahrzeuggegenüberstellung veranlasst? Theoretisch ist es also möglich, dass eine Regulierung ohne Unfall stattfinden kann und der Versicherungsnehmer die Höherstufung hinnehmen muss, ohne etwas dagegen tun zu können. Es empfiehlt sich daher, bereits bei Erhalt des Schreibens der Polizei einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.

Barbara De Icco Valentino
studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bonn. Sie ist seit 2016 Rechtsanwältin. Frau De Icco Valentino ist für die Kanzlei Leonhard & Imig  in den Rechtsgebieten  Medizinrecht und Verkehrsrecht als Fachanwältin tätig.

Gartenstraße 1
51429 Bergisch Gladbach
Tel.: (02204) 97 61 0
www.leonhard-imig.de

IHNEN KÖNNTE AUCH GEFALLEN

SEIEN SIE IMMER AUF DEM LAUFENDEN

Erfahren Sie, was unsere Stadt bewegt – mit unserer Digital-Ausgabe

Nach oben scrollen