Der Papiermacher denkt heute über die Zukunft der Stadt nach.
Letztens sprach mich ein alter Kollege an. Er wolle sich jetzt selbstständig machen, ein Unternehmen gründen und dafür bräuchte er ein Gelände. Und da dachte er, ich könnte ihm helfen, da wir hier in Bergisch Gladbach ja so viel Platz haben. „Nä, iss nich so“, musste ich ihm da sagen. „Unsere Gewerbegebiete sind dicht.“ Ganz ungläubig schaute er mich an und schüttelte mit dem Kopf. „Kann doch nicht wahr sein“, sagte er. „Wovon wollt ihr denn in Zukunft leben?“
Tja, meine Lieben. So ist das. 13 Gewerbegebiete haben wir in der Stadt. Aber alle sind voll besetzt. Was einerseits für unsere Wirtschaftsförderung spricht und andererseits zeigt, dass unsere Stadt für Unternehmen doch recht attraktiv ist. „Was ist denn mit Zanders?“ fragte mich der Kollege dann nach der Industriebrache mitten in der Stadt. „Oh, vergiss das mal schnell“, antwortete ich ihm. „Das kann dauern.“ Bis klar ist, wie die 35 Hektar der ehemaligen Papierfabrik genutzt werden sollen, hat mein Kollege sein Unternehmen gegründet, betrieben und ist wahrscheinlich schon im Ruhestand.
Apropos Ruhe. Das scheinen die Leute ja hierzulande immer mehr zu schätzen. Als die Post letztens in Refrath ein Logistikzentrum bauen wollte, protestierten die Anwohner, weil es zu laut werden würde. Und jetzt baut die Post nicht. Na ja, wenn das so weitergeht, wird es hier meiner Meinung nach mal ganz ruhig. Dass die Leute hier nicht arbeiten wollen, glaube ich nicht. Aber offensichtlich lieber woanders. Jetzt ist schon die Rede davon, dass sich die Stadt entschieden habe, eine Schlafstadt zu werden. So nennt man Städte mit ganz wenig produzierendem Gewerbe und vielen schicken Einfamilienhäusern mit hübschen Vorgärten. Eine Stadt, in der die Leute nichts machen außer schlafen eben. Arbeiten tuen sie dann woanders. Und weil die Einfamilienhäuser so schick sind, wohnen da Menschen mit richtig gutem Einkommen. Da verdient die Stadt doch gut dran, könnte man denken. Aber Vorsicht: Von der Einkommensteuer kriegt die Stadt nur 15 Prozent. Die Gewerbesteuer geht dagegen zu 100 Prozent an die Stadt.
Und so richtig Leben ist in solchen Schlafstädten meistens auch nicht. Die Menschen sind tagsüber im Nachbarort oder arbeiten noch weiter weg. So richtig identifizieren tuen sie sich dann nicht mit der Stadt. Höchstens halt im Schlaf. Na, mir kanns egal sein, meine Papiermacherzeit ist längst Vergangenheit, Ruhe gefällt mir auch und schlafen tue ich auch gerne. Also: Ich leg mich mal hin,
gute Nacht meine Lieben!
Euer Papiermacher