IM PROFIL. Als die Gladbacher Papierfabrik sich Ende der 60er aufmachte, den internationalen Papiermarkt zu erobern, kam Grafikdesigner und Künstler Wolfgang Heuwinkel zum Unternehmen. Und setzte neue Marketing-Maßstäbe.
Kalender und Kugelschreiber sind wohl die weltweit verbreitetsten Werbeartikel. Stihl stellt seit 2021 keine Kalender mehr her. Ab 1969 warben wenig bekleidete junge Frauen für die württembergischen Kettensägen. Schwedens Forstagentur aber drohte mit Boykott, wenn die Waiblinger weiterhin mit Weiblichkeit in wilder Natur werben. Weniger profan und mit mehr Prominenz nutzte der italienische Reifenhersteller Pirelli seit 1964 die weibliche Ausstrahlung für sein Marketing. Veränderte aber das Konzept. Im Kalender 2022 ist der Oberkörper von Rocksänger Iggy Pop der einzig nackte.
Überlebt hätte sicher auch der Zanders-Kalender, wenn die Firma in ihrer ursprünglichen Form überlebt hätte. 1961 zeigten die Gladbacher erstmalig, was das Hochglanzpapier Chromolux für die sichtbare Brillanz von Fotos leisten kann. 1968 kam Wolfgang Heuwinkel zu Zanders, entwickelte als Marketing-Chef den Chromolux-Kalender zum weltweit begehrten Kunstprodukt. Kein Wunder: Der heute 84-jährige Diplom-Designer ist selbst Künstler. Roy Lichtenstein und David Hockney waren beteiligt, Heuwinkel engagierte namhafteste Agenturen und Fotografen, zu den Präsentationen flog er um die Welt. Traf UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, als 1995 das 150-jährige UN-Jubiläum Kalender-Thema war, besuchte Christo in New York und stellte auch selbst als Künstler immer wieder international aus. 1973 gestaltete er selbst eine revolutionäre Zanders-Jahresübersicht: Als dreidimensionales und durch Aufwölben formbares Objekt.
Rückendeckung für die ungewöhnlich kreative Marketing-Arbeit bekam Heuwinkel vom Zanders-Chef Peter Dauscha. „Das war die Zeit, als das anfing mit professionellem Marketing und ich blicke mit Freude zurück, was da alles entstanden ist.“ „Watt macht er heute“, könnte man sagen, denn er gestaltet Kunstobjekte mit auf den Nordsee-Halligen entstandenen Aquarellen von Sand und Schlickstrukturen auf gerissenem Torchonpapier. Und eines seiner Logos ist auch noch in Gebrauch. Ausgerechnet der „Dynamische Kreis“ des einstigen Zanders-Konkurrenten Feldmühle.
10 Fragen an Wolfgang Heuwinkel
Geboren ist der 84-jährige Künstler und Marketing-Pionier in Detmold, 1968 folgte er einem Angebot der Firma Zanders nach Bergisch Gladbach, ein Jahr später lernte er beim Karneval seine Frau auf dem legendären Schwimmerball im Bergischen Löwen kennen.
Welche Eigenschaften sagt man Ihnen nach?
Konsequent, energisch, kreativ.
Ihr bisher größter Erfolg im Leben?
Meine Familie.
Welches natürliche Talent würden Sie gern besitzen?
Ich bin ausgelastet.
Können Sie uns eine bewährte Lebensweisheit empfehlen?
Dinge im Leben konsequent verfolgen.
Was können Sie so gar nicht leiden?
Das Geräusch von Staubsaugern.
Was bringt Sie zum Lachen?
Überraschende, kuriose Situationen.
Was schätzen Sie an Kollegen?
Den kreativen, offenen Austausch.
Mit wem würden Sie gerne tauschen?
Mit niemandem.
Ein gutes Buch und ein guter Film?
Buch: „Schimmelreiter“ von Theodor Storm.
Film: „Lohn der Angst“ von Henri-Georges Clouzot.
Wann sind Sie offline?
Meistens.