KOMMUNALPOLITIK. Sie kommen in Deutschland an. Sie sind oft völlig orientierungslos, verängstigt oder traumatisiert. Sie haben ihre Heimat aufgegeben, um den Kriegswirren zu entfliehen. Unterwegs sind sie oft nur mit Rucksack oder Tasche.
Sie kommen entweder alleine mit dem Auto oder in Gruppen mit Bussen. Normalerweise – so war es auch in den Jahren 2015 und 2016, als viele Flüchtende aus Asien und Afrika aufgenommen wurden – beginnt dann das Prozedere der Zuweisung, nicht nur in den Anlaufstellen, sondern auch beispielsweise im Otto-Hahn-Schulzentrum oder in der Hermann-Löns-Halle. Doch jetzt ist alles anders. Nicole Mrziglod, in der Verwaltung für den Bereich Integration verantwortlich, kennt die Zahlen: „Von den bis heute (Stand 11. April) 911 Geflüchteten sind 561 privat untergekommen. Das private Engagement ist unglaublich“.
Doch auch die privat Aufgenommenen sollten sich registrieren lassen. Denn es geht um finanzielle Hilfe, die nur geleistet werden kann, wenn die Personalien bekannt sind. Zudem werden in den Anlaufstellen Impfangebote gemacht. Wer arbeiten will, muss sich bei der Ausländerbehörde melden.
Zwischenzeitlich sind die Wohncontainer auf dem CarPark-Gelände in Lückerath bezugsfertig gemacht worden. „Ein Container ist mit seinen 15 Quadratmetern für zwei Personen geeignet“, so die Integrationsbeauftragte. Größeren Familien können mehrere Container zugesprochen werden.
Zur Unterstützung der städtischen und ehrenamtlichen Aktivitäten ist seit kurzer Zeit Conny Vesper unterwegs, die im Q1 an der evangelischen Gnadenkirche einen mobilen sozialen Hilfsdienst leitete. Nun betreut sie die Menschen in der Märchensiedlung. Hier hatte die Rheinisch-Bergische Siedlungsgesellschaft (RBS) Wohnraum für Geflüchtete als Quarantänewohnungen zur Verfügung gestellt. Sie ist seither als Geflüchtetenbeauftragte der evangelischen Kirche Stadtmitte unterwegs. Es geht ihr darum, für die Bedürfnisse der Menschen Hilfe anzubieten: Ein Zahnarztbesuch, ein Deutschkurs oder Hilfe beim Einkauf. Nicht immer kann sie helfen. Oft muss auch ein Dolmetscher her. Zwei junge Damen – Nathalia und Margarita – sind hier zuständig. Sie sprechen russisch und deutsch, die ukrainischen Menschen können sich fast alle in russischer Sprache verständigen. Eine ausgebildete Krankenschwester und das DRK sind ebenfalls vor Ort, zudem ein Sicherheitsdienst. Der ist notwendig, denn die Angst vieler – vor allem junger – Frauen ist groß.
Die Politik ist mit der Flüchtlingsbetreuung zufrieden. SPD-Fraktionschef Klaus Waldschmidt spricht von einer „Mammutaufgabe, die Stadtverwaltung und Feuerwehr mit Bravour und einzigartigem Engagement gemeistert haben.“ Und Michael Metten (CDU) lobt: „Mehr als zwei Drittel dieser Schutz suchenden Menschen sind privat untergekommen. Das ist großartig und erfordert höchsten Respekt.“ Beide sorgen sich aber um die Finanzierung. Waldschmidt: „Es ist eine gewaltige Herausforderung: so müssen Kita- und Schulplätze sowie Wohnungen bereitgestellt werden. Ohne massive – auch finanzielle – Unterstützung von Land und Bund kann dies nicht gelingen.“ Und Metten ergänzt: „Die Verwaltung wird den Anteil der Kommune an diesen Kosten, deren genaue Höhe noch unklar ist, stemmen müssen. Allerdings kann sie die Sonderaufwendungen für die Flüchtenden auch geringer halten, wenn die enorme private Hilfe gefördert wird.“ Auch Mrziglod weiß, dass ohne ehrenamtliches Engagement die Aufgabe nicht zu schaffen ist. „300 bis 400 Kinder sind hier aufgenommen. Kinderschutzbund, Adra-Shop, katholische und evangelische Kirche: Sie alle sind dabei und ohne sie geht es nicht.“
Beitragsbild: Klinkhammels