RECHTSTIPP. Wie Sie mit einem Betrieblichen Eingliederungsmanagement umgehen sollten:
Der eine oder andere von Ihnen, sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, war möglicherweise schon einmal in der misslichen Lage, nach längerer Arbeitsunfähigkeit in den Betrieb zurückzukehren, wo plötzlich alles ganz anders war. Die Strukturen haben sich verändert, und nun wird Ihnen ein Kaltstart abverlangt.
Dass dies auf Schwierigkeiten stößt, hat der Gesetzgeber erkannt. Er wendet sich mit einer entsprechenden Vorschrift an den Arbeitgeber und gibt diesem auf, einen Suchprozess in Gang zu setzen. Gesucht werden soll nach individuell angepassten Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit. Kurz um, der Arbeitgeber soll Ihnen einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, den er finden muss. Dieser Suchprozess nennt sich betriebliches Eingliederungsmanagement oder kurz bEM.
Hilft Ihnen das beim Wiedereinstieg?
Leider nein, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 7. September 2021 – 9 AZR 571/20) feststellt. Das BAG legt die Vorschrift nämlich ganz anders aus. Das Gesetz formuliert, der Arbeitgeber „klärt …, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann“. Man könnte glauben, dass er das auch tut – tun muss, wenn es schon da steht. Falsch. Das Bundesarbeitsgericht glaubt, dass ein Arbeitnehmer das nicht verlangen kann. Denn der Gesetzgeber wolle etwas anderes. In Wahrheit soll der Arbeitgeber nur in seinem eigenen Interesse schauen, was er mit dem Arbeitnehmer, der so lange krank war, macht. Im Fachjargon heißt es, es handele sich allein um die Regelung einer sogenannten Initiativlast des Arbeitgebers und nicht um einen Individualanspruch des Arbeitnehmers.
Was heißt das jetzt?
Nun, aus richterlicher Sicht kann der Arbeitgeber tun und lassen, was er will, wenn es um ein bEM geht. Das bEM erleichtert ihm später in der Auseinandersetzung mit dem Arbeitnehmer den Beweis dafür, dass ein leidensgerechter Arbeitsplatz gerade nicht vorhanden sei.
Was können Sie als Arbeitnehmer tun?
Sie bieten Ihre Arbeitskraft „in der rechten Weise zur rechten Zeit am rechten Ort“ (so lautet eine einschlägige juristische Definition) an und warten, wie der Arbeitgeber reagiert. Gab es kein bEM, hat der Arbeitgeber beträchtliche rechtliche Schwierigkeiten, Ihnen die Beschäftigung zu verweigern. Sie verhalten sich also wie immer. Müssen Sie einer Einladung zum bEM folgen? Nein, Sie müssen nicht. Ob Sie es sollten, klären Sie mit Ihrem Fachanwalt.
Und als Arbeitgeber?
Jedem Arbeitgeber ist anzuraten, unbedingt ein bEM durchzuführen, um spätere Nachteile in der Auseinandersetzung mit dem Arbeitnehmer um die Abwehr von dessen Beschäftigungsverlangen zu vermeiden.
Andreas Maria Klein, geboren 1960, studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten in Bonn, Münster und Köln. Er ist seit 1991 als Rechtsanwalt zugelassen und führt seit 1996 den Fachanwaltstitel für Arbeitsrecht. Andreas Maria Klein ist Sozius in der Kanzlei Leonhard & Imig.
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